Artillerieverein der Stadt Luzern - Gesellschaft zum Wasserturm

BERICHTE

Besichtigung Kehrichtverbrennungsanlage renergia in Perlen 14. September 2019

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Gruppe der Teilnehmenden, Im Vordergrund der weisse «Energie-Abfallsack»


Einleitung:
                                                                                                                 
Die Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) Ibach Luzern, deren Inbetriebnahme 1971 erfolgte, hat ihren Dienst zuverlässig über 43 Jahre erbracht, den Abfall umweltverträglich entsorgt und so die Umwelt sauber gehalten. Bei der Planung in den 60er Jahren rechnete man mit jährlich 45 000 Tonnen Abfall, am Ende waren es 90 000 Tonnen. Nicht nur kapazitätsmässig überschritt sie damit die Grenzen. Auch die technischen und energetischen Verfahren haben sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt und bieten ganz neue Möglichkeiten. Schon 2007 begann sich REAL mit dem Ersatz der alten Anlage zu befassen. Es standen ein Neubau oder eine Totalsanierung zur Diskussion. Eine Totalsanierung lohnte sich allerdings nicht, denn sie hätte höhere Betriebskosten, Betriebsunterbrüche und Provisorien zur Folge gehabt. Weiter konnte die KVA Luzern nicht einmal die Hälfte des Zentralschweizer Kehrichts verarbeiten. Der Rest wurde in die Kantone Aargau, Glarus und Zürich gefahren und dort verbrannt. Die Zeiten der reinen Abfallbeseitigung durch Verbrennung sind längst vorbei. Somit wurde in der ersten Januarwoche 2015 der Betrieb der Anlage KVA Ibach definitiv eingestellt und mit einem festlichen Akt gewürdigt.
                                                                                
Abfall hat denselben Energieinhalt wie Schnitzelholz oder Braunkohle und wird heute als Brennstoff betrachtet, den man mit maximaler Energienutzung verwerten will. Dank modernster Technik produzieren heutige Anlagen beträchtliche Mengen Energie.                                                                                             

Die Idee, die neue KVA unmittelbar neben der PEPA (Perlen Papier) zu realisieren, beruht auf folgender Überlegung: Einerseits benötigt die Papierproduktion grosse Mengen Wärme sowie eine konstante, sichere Energiezufuhr (Bandenergie). Andererseits produziert die KVA durch den Verbrennungsprozess permanent – also 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr – nutzbare Abwärme. Renergia (re, lat. wieder / energia, lat. Energie) kann genau diese Energielieferung gewährleisten. Durch die Kombination von Stromproduktion und Wärmelieferung erreicht renergia einen Energienutzungsgrad von über 70 Prozent, während der Nutzungsgrad der alten KVA Luzern nur bei 29 Prozent lag. Die Anlage nimmt damit einen Spitzenplatz in der ökologischen Energiegewinnung ein und leistet einen grossen Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele des Kantons Luzern und der Zentralschweiz.

Technische Spezifikationen renergia

Feuerung/Kessel:  
Zwei Verbrennungslinien mit je 12.5 t/h Durchsatz        
Rostfeuerung, 4-Zug-Kesselanlage mit horizontalem 4. Zug
Erzeugung von 58 t/h Heissdampf (41 bar, 410°C) je Linie
Nasser Schlackeaustrag in den Schlackebunker

Rauchgasreinigung:  
Zweifeldrige Elektrofilter zur Grobentstaubung    
Trockensorption mit Bikarbonateindüsung. Abscheidung von Schwefel- und Chlorwasserstoffen in einem ersten Gewebefilter                                                 
SCR-Katalysator zur Reduktion des Stickoxidgehaltes
Trockensorption mit Zudosierung von Kalkhydrat und Aktivkohle            
Messinstallationen zur kontinuierlichen Überwachung der Konzentrationen im Rauchgasstrom

Energienutzung: 
Dampfturbine und Generator (Klemmenleistung (Bruttoleistung) 29 MW bei Vollverstromung
Entnahmedampf 4.5 bar, Prozessdampf Lieferung an die Perlen Papier AG Anzapfung bei 0.7 bis 1.1 bar, Umformung zu Warmwasser für Fernwärme
Luftkondensation des Abdampfes aus der Turbine

Nebenanlagen: 
Drucklufterzeugung
Krananlagen für Kehricht und Schlacke
Sperrmüllzerkleinerung                                                                                         
Elektr. Transformations-, Verteil- und Schaltanlagen                            
Haustechnische Installationen, Heizung-Lüftung-Klima-Sanitär etc.  

Prozesssteuerung: 
Die gesamte Verfahrenstechnik wird mit einem Prozessleitsystem gesteuert und überwacht.

Technische Daten

Verbrennungskapazität  ca. 220 000 t pro Jahr 
 Kehrichtdurchsatz  2 x 12,5 t / h                               
 Bruttowärmeleistung  2 x 47 MW                  
 Klemmenleistung Generator  26 MW el
 Wärmeauskopplung Fernwärme  2 x 16 MW                              
Wärmeauskopplung Perlen Papier AG    bis 60 MW


Besichtigung renergia

Um 13.15 Uhr begrüsste Obmann Thomas Käppeli die 21 Gemeldeten vor dem Tor zur Kehrichtverbrennungsanlage renergia. Über sein Mitbringsel, den weissen Abfallsack, rätselten wir nur kurz, denn schon begrüsste uns Frau Thürig, die uns während des Rundganges die Anlage erklärte und unsere Fragen beantwortete. Im Empfangsraum staunten wir über den Abfallsack, der fortan als «Energie-Sack» bezeichnet wurde.

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 Frau Thürig lässt uns raten, wieviel Power unser «Energie-Sack» enthält.  Gewicht: 2,8 kg / Heizwert von ca. 0,9 l Heizöl / Strom für 1944 Handyladungen


Vom Abfall - zur Energie

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Ein- und Ausfahrt: Jedes Fahrzeug wird bei der Ein- und Ausfahrt gewogen um die Tonnage des Abfalls zu bestimmen.
(Automatische Fahrzeugerkennung)
anschliessend wird der Abfall in den Mischbunker versenkt, wo auch unser  «Energie-Sack» verschwand.                                                               

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Die Inhalte, Festgut und Schlamm der verschiedenen Bunker werden gemischt (Mischbunker), anschliessend, je nach Material, geschreddert und über den Aufgabetrichter in den Ofen gefüllt. (Foto durch verschmutztes Panzerglas)

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Hinter dem feuerfesten Panzerglas herrscht das höllische Inferno. Bei einer Temperatur von 900° bis 1100°C wird der Abfall in ca. 90 Minuten verbrannt, sodass keine brennbaren Elemente mehr vorhanden sind. Die Verbrennung kommt ohne zusätzliche Brennstoffe wie Öl oder Gas aus. Die dabei anfallende Schlacke enthält Asche, Ton und Glasscherben, Zement aus Bauschutt und Metalle. Vor der Endlagerung in einer Reststoffdeponie werden alle Metalle ausgeschieden. Pro Jahr ca. 3000 t Eisen, sowie 1000 t Buntmetalle, die der Wiederverwertung zugeführt werden.          

Die durch die Verbrennung entstehenden Aschepartikel im Rauchgas werden in der ersten Stufe mittels elektrostatischer Filter ausgeschieden. In der zweiten Stufe wird Natriumbicarbonat (Backpulver) in den Abgasstrom geblasen, das saure Schadgase zu neutralen Salzen verwandelt. Der Katalysator, ähnlich wie bei einem Benzinmotor, erzeugt eine chemische Reaktion zur Eliminierung von Stickoxyden. In der letzten Reinigungsstufe wird Kalk und Aktivkohle in den Abgasstrom eingedüst. Damit können die restlichen Schadstoffe auf ein Minimum reduziert werden, sodass sie kaum mehr nachweisbarsind und die gesetzlichen Grenzwerte massiv unterschreiten.

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Der Wasserdampfkreislau gewährleistet die Dampfbeschickung an die Turbinen.

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Der Heissdampf, der im Dampfkessel durch Wasser, das mit der durch die Verbrennung entstandenen Hitze zu Wasserdampf umgewandelt wurde, wird auf die Mehrstufenturbine geleitet (Wärmeisoliertes System rechts oben), die den Stromgenerator (linke Seite) antreibt (wie ein Velodynamo), sodass der daraus entstehende Strom ins Netz der CKW eingespiesen wird. Die verbleibende Restwärme wird teils an die Papierfabrik Perlen und teils zur Versorgung der Fernwärme genutzt. Der genutzte Heiss-Dampf hat eine Temperatur von 400°C (Heissdampf hat eine Temperatur zwischen 300 und 600°C) und einen Druck von 40 bar, ca. der 20-fache Druck eines Autoreifens.   

Totale, unsachgemässe Entsorgung

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Zum Abschluss der Führung staunten wir, was trotz Abfalltrennung täglich noch aus der Schlacke entfernt werden muss. Die Skala reicht von der Schraube über die Gasflasche bis zum grossen Abbauhammer, unglaublich aber wahr.

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Ausklang

Der Besuch der renergia war nicht nur eindrücklich, sondern auch sehr lehrreich. Es zeigte sich ohne wenn und aber, wie wichtig ein umwelbewusstes handeln für die Zukunft unserer Nachkommen ist. Ihnen wollen wir eine erfreuliche Welt hinterlassen, eine Welt, so wie wir sie auch für uns wünschen.

Nach der Besichtigung genossen wir das im Restaurant «Die Perle» offerierte Zvieri.

Herzlichen Dank an Obmann Thomas Käppeli für die Organisation.

Rolf Lötscher

Text und Bild

Quellenangabe: KVA Ibach / renergia